Von Claus Hulverscheidt, Berlin
Europas Regierungen arbeiten an Strategien, um das Auseinanderbrechen der Währungsunion zu verhindern. Denn die bisher vereinbarten Einzelschritte haben das Vertrauen der Finanzmärkte und der Bürger in den Euro nicht wiederhergestellt. Ihre Sorge: In Griechenland verschlechtert sich die Lage derart, dass Athen wieder die Drachme einführen muss.
Nach fast zweijähriger Krise steuert die Euro-Zone auf einen Herbst der Entscheidung zu. Um die Probleme in den Griff zu bekommen und sich auch für einen Austritt Griechenlands zu wappnen, wird unter den Mitgliedern der Währungsunion derzeit eine Vielzahl von Reformoptionen erörtert. Sie sollen in den nächsten Wochen zu einer stimmigen Gesamtstrategie verknüpft werden.
Hintergrund ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die Erkenntnis, dass die bisher vereinbarten Einzelschritte die Lage zwar punktuell verbessert, das Vertrauen der Bürger und der Finanzmärkte in den Euro aber nicht wiederhergestellt haben.
Noch ist das angestrebte Paket nicht einmal in Grundzügen geschnürt, da zuvor einige wichtige Entscheidungen fallen müssen. Lehnt etwa das Bundesverfassungsgericht am 12. September die geplante Errichtung des dauerhaften Schutzschirms ESM ab, wären alle Pläne obsolet, und die Euro-Länder müssten eine völlig neue Strategie entwerfen.
Von großer Bedeutung ist zudem, ob die sogenannte Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds im September die Auszahlung weiterer Hilfen an Griechenland empfiehlt. Tut sie das nicht, bliebe Athen wohl nur die Rückkehr zur Drachme. Möglicherweise verschiebt sich die Veröffentlichung des Troika-Berichts auch auf Oktober.
Stärkung der verbleibenden Währungsunion
Für den Fall, dass Griechenland austritt, wird unter den übrigen Euro-Staaten erwogen, parallel ein Paket zur Stärkung der verbleibenden Währungsunion vorzulegen. Diskutiert wird etwa über eine Aufstockung der Hilfsprogramme für Irland und Portugal, um Finanzmarktschocks aufzufangen.
Gleichzeitig könnten Spanien und Italien vorbeugende ESM-Kredite beantragen, was wiederum die Voraussetzung dafür wäre, dass die EZB beide Länder durch den massiven Aufkauf von Staatsanleihen unterstützen kann.
Hinzu kommen müsste die Ankündigung, dass die Euro-Länder weitere konkrete Schritte zur einheitlichen Beaufsichtigung und Umstrukturierung von Banken sowie zur Koordinierung und Überwachung der Haushaltspolitik unternehmen. Die Griechen schließlich würden über EU-Zahlungsbilanzhilfen beim wirtschaftlichen Neustart unterstützt.
Grundlegenden Zweifel der Finanzmärkte
"All diese Fragen stellen sich im Herbst, und wir werden sie im Zusammenhang beantworten müssen", hieß es in Verhandlungskreisen. Die jetzt diskutierten Ideen bedeuteten nicht, dass die Anti-Krisen-Politik völlig neu ausgerichtet werden müsse.
Vielmehr hätten die Reformen seit Ende 2010 dazu beigetragen, dass sich die Haushaltslage und die Wettbewerbskraft vieler Euro-Länder verbessert und die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb Europas abgenommen hätten. Andererseits habe auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Kenntnis nehmen müssen, dass es nicht gelungen sei, die grundlegenden Zweifel der Finanzmärkte am Fortbestand der Währungsunion zu überwinden.
Vertreter der Bundesregierung betonten zugleich, die Probleme seien auch mit dem besten Reformpaket nicht über Nacht lösbar. "Es gibt kein Patentrezept, das diese Krise im September beendet", hieß es gleich an mehreren Stellen.
Linktipp: Im September, nach der politischen Sommerpause, stehen viele wichtige Termine und Treffen in ganz Europa an, von Nikosia über Athen bis Karlsruhe.Süddeutsche.de hat hier zusammengefasst, was auf die Euro-Zone zukommt.